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oldprusa

von TED110, 4. Januar 2008

Beiträge: 9

Sprache: Deutsch

TED110 (Profil anzeigen) 4. Januar 2008 20:20:36

Ich habe es hier ja mit so vielen Sprachfixen zu tun. Also Hallo und Labas hier!

Weiß hier jemand ob es Literatur oder Lehrmaterial für die Altpreußische Sprache gibt? Und wo? Ich drehe noch durch. Die Wikibooks haben ein sauber gemachtes Blättle, aber leider fehlen da komplett die Vokabellisten. Die Preußische Sprache kennt angeblich 2000 Zweitsprachler. Natürlich wären mir Bücher am liebsten, aber da scheint es nicht viel zu geben. Ob Deutsch, Esperanto oder Englisch wäre mir gleich. Langsam frage ich mich wirklich, wie Indogermanisten diese Meilensteine der Sprachgeschichte so unbeachtet lassen können.

http://de.wikipedia.org/wiki/Altpreu%C3%9Fische_...

Ihr könnt hier auch reinschreiben, dass ihr keine Ahnung habt, dann merke ich wenigstens, dass es mal gelesen wurde.

Dakon und Ačiu ... rideto.gif

tortojboksisto (Profil anzeigen) 4. Januar 2008 21:53:51

Ich kann gut nachvollziehen, warum du dich für solch altkulturellen Sprachphänomene interessierst. Ich bin da auch recht wissbegierig. Mich würde zum Beispiel noch die Verbindung zwischen ungarisch und finnisch interessieren. Meine Eltern sprechen fließend ungarisch.

Aber die Finno-Ugristik ist ein weit gefächertes Gebiet, dass sich ja bis zu den Hunnen zurückführen lässt. Das wäre mir dann auch zuviel Input.

Etwas mehr Wert lege ich auf Sprachen, die sich heute anwenden lassen.

Aber interessant finde ich die Verbindung des altpreußischen Wortes "buttan" für "Haus" und der niederdeutschen Ortsnamenendung "-büttel" was auch Haus oder Hof bedeutet.

Gerade bei mir in Hamburg haben wir Hoisbüttel, Hummelsbüttel, Fuhlsbüttel, Wellingsbüttel, Poppenbüttel und noch einige mehr.

Grüße

TED110 (Profil anzeigen) 5. Januar 2008 14:12:29

Ungarisch und Finnisch haben gemeinsame Grammatikalische Stämme, sind ansonsten aber nur durch Archaismen als "verwandt" definierbar (mi (ugr.) - mikä (fin) ; menni (altugr.) - mennä (fin) usw...). Man kann also überspitzt auch behaupten, dass Finnisch und Ungarisch lediglich "Müllabladezonen" sind und einfach zusammengefasst wurden. Für vergleichende Linguistik muss man nämlich gut mehrere hundert Jahre der Sprachgeschichte zurückschrauben.

Beide Sprachen sind extrem aglutinierend und haben ein hohes Maß an Fällen und Postpositionen. Im Laufe der Geschichte vielen bei beiden Sprachen (+Estnisch/Lappisch/Karelisch) unterschiedliche Fälle weg. Das betrifft vor allem den Norden. Instruktiv und Abessiv sind erst seit dem letzten Jahrhundert "bedroht" und nur noch in festen Formen auffindbar (z.B. jalan "zu Fuß")

H - Nagy úr ma délött a bankba megy
FIN - Herra Nagy tänä aamulla pankkiin menee
D - Herr Nagy geht heute Vormittag zur Bank

Die Konstruktion ist ähnlich, die Wörter nicht selten unterschiedlich:

Herr Nagy (Nagy Herr) diesen Vormittag Bank geht.
Beachte, dass Bank im Adessiv steht

Das Ungarische kennt heute 17 Fälle, von denen einige mehr als nur Ortsfälle sind.
Das Finnische kennt 12 Fälle, fast alle von ihnen sind Ortsfälle und werden manchmal für Konstruktionen logisch benutzt (annan sinulle - ich gebe zu dir - ich gebe dir/ minulla on - auf mir ist -; ich habe).

Leider kann ich bis jetzt nicht mit viel Historie dienen. Gerade im Bezug auf Ungarn ist es auch schwer, viele Gemeinsamkeiten in der Gescichte auszumachen. Die meisten Finno-Ugristen vertiefen sich in das Umfeld der Samischen und Finnischen Sprachen. Hinzu kommt bei mir natürlich auch noch, dass mich das so ÜBERHAUPT nicht interessiert. Ich möchte mehr über die alten Germanischen Sprachen und der Indoeuropäischen Sprachen erfahren. Baltische Sprachen sind dabei unverzichtbar. Tja, und da wäre Altpreußisch schon toll.

Valodnieks (Profil anzeigen) 8. Januar 2008 15:35:16

Hallo. Altpreußisch ist 1700 ausgestorben. Es sind nur wenige Texte Altpreußisch erhalten und deren Zuverlässigkeit ist umstritten. Daher gibt es kein großes Vokabular. Es sind nur wenige Wörter überliefert.

Einige litauische und polnische Sprachwissenschaftler haben vor einigen Jahren begonnen eine "neupreußische Sprache" zu "rekonstruieren". Da werden analog zum Litauischen dann neue Wörter konstruiert. Viele seriöse Sprachwissenschaftler lehnen dies ab. Auch das Wikibook hält einige dieser "neuen" Wörter bereit. Im Prinzip ist Neupreussisch eine fiktive Sprache. Es gibt halt Leute, die behaupten sie wären aufgrund ihrer Herkunft Prussen und sie würden diese Sprache nun als Zweitsprache sprechen. Da wäre ich aber vorsichtig. Zu Neupreussisch habe ich eine kleine Seite eingerichtet bei.

http://firenze.paukerin.com/VIP/Valodnieks/kate/66...
Da ist auch ein Link zu einem multilingualen neupreussischen Wörterbuch drauf. Klicke auf der Seite die Spalte miksiskan-prusiskan-miksiskan an, dann bist du auf der deutschen Version.

An Büchern über das echte Altpreußisch empfehle ich dir das Buch "Die Baltischen Sprachen" von Langenscheidt. Da ist auch ein guter Artikel über das "echte" Altpreußisch drin.

TED110 (Profil anzeigen) 12. Januar 2008 14:50:54

Ah danke für die Info!
Das Altpreußisch in einem problematischen Status ist, habe ich schon gehört, aber manchmal muss man sich ja wundern. Inwiefern eine Sprache in der alten Literatur tatsächlich wichtig war, spielt für mich keine so große Rolle. Im Felde der Indogermanistik ist Preußisch ja relativ nützlich und bedeutend, wobei die Rekonstruktion der Indogermanischen Ursprache ja auch nur ein wages Puzzlespiel ist.

Valodnieks (Profil anzeigen) 13. Januar 2008 22:35:43

TED110:Ah danke für die Info!
Das Altpreußisch in einem problematischen Status ist, habe ich schon gehört, aber manchmal muss man sich ja wundern. Inwiefern eine Sprache in der alten Literatur tatsächlich wichtig war, spielt für mich keine so große Rolle. Im Felde der Indogermanistik ist Preußisch ja relativ nützlich und bedeutend, wobei die Rekonstruktion der Indogermanischen Ursprache ja auch nur ein wages Puzzlespiel ist.
Für die Baltistik ist Altpreussisch auch sehr wichtig, da es die einzige erhaltene westbaltische Sprache ist im Gegensatz zu den ostbaltischen Sprachen Lettisch und Litauisch. Nur als die Texte herausgegegeben wurden, war Altpreußisch halt schon sehr zersetzt vom Deutschen. Sprachenwissenschaftlich sind diese wenigen Texte natürlich von großer Bedeutung.

TED110 (Profil anzeigen) 25. Januar 2008 19:45:44

Cool danke, da muss ich echt mal nachgucken, obwohl ich auch schon sehr schlechte Erfahrungen bei der Kooperation mit (Universitäts)Bibliotheken gemacht habe ; z.B. als ich mich für das "Introduction to Modern Faroese" interessierte.

Mal sehen, hoffentlich habe ich bald mal wieder mehr Zeit als momentan, aber nächste Woche sind ja endlich auch wieder Ferien.

TED110 (Profil anzeigen) 27. Januar 2008 21:32:16

Wir haben eine ganze Woche Ferien, ja ridulo.gif

Ich kenne die Orte und das man es bekommen kann. Ich habe sogar in Großbritannien einen Laden gefunden (im I-Net), der mir das Buch verkaufen kann. Ich denke, das wäre es mir sogar wert. Trotzdem Takk fyrir!

TED110 (Profil anzeigen) 11. Februar 2008 14:50:15

Es ist wohl momentan eine schwere Zeit für die alte Linguistik, zumal sie bei Studiengängen (v.a. auf Lehramt!) stärker zurückgedrängt wurde. Gerade unsere jüngeren Französisch-/Englisch-/Deutschlehrer haben entweder gar keine Ahnung mehr von den Vorläufern ihrer Unterrichtssprache, oder blocken es mit einem leichten "ach das habe ich noch nie verstanden" ab, ähnlich wie viele arbeitende Menschen heute nicht mehr von Mathematik sprechen wollen ("das konnte ich noch nie"). Damit zeigt sich, dass man für die Schule und nicht für das Leben lernt.
Die Abnahme des Interesses hat auch das Bücherspektrum ermatten lassen. Es fehlen zunehmend Elementarwerke für die alte Linguistik, stattdessen gibt es das Material in Form sündhaft teurer Wörterbücher und Grammatiken.
In Französisch muss jeder ein Referat halten und ich habe mir natürlich sofort vorgenommen, über das Altfranzösisch zu sprechen, da es meiner Meinung nach ein sehr interessanter Mitläufer/Nachfolger des Latein ist. Wer sich heute darüber informieren will, muss oft tief in die Tasche greifen. Ein Elementarwerk gibt es gar nicht mehr, stattdessen teure Wörterbücher (1900€!) und Grammatikwerke, bzw. Werke über den Gesamtverlauf der französischen Romanistik, was mich allerdings gar nicht interessiert (was will ich mit Mittelfranzösisch).
Jetzt habe ich im Antiquariat(!) ein Elementarbuch für die Altfranzösische Sprache gefunden, sogar sehr günstig (8€), allerdings ist es von 1981 (1.Auflage ~1975). Dieses Buch wird in Universitäten selbst auch noch rumgereicht.
Das zeigt, dass das Interesse seit der Entdeckung der komparativen Linguistik im 20.Jhd. wieder stark nachgelassen hat. Allein die Anglistik wird momentan ausgedrückt bis zum Koma. Für Professoren und Promovierende natürlich die Chance, wieder in den Autorenmarkt einzusteigen.

So sieht es momentan auch für Altpreussisch aus, man hat es zwar entdeckt, kann darauf aber nur noch in Werken über die Baltik zurückgreifen. In dieser Hinsicht höchstens wegen der geringen Kenntniss des Altpreussischen verständlich.

Meinen Missmut kann ich an dieser Stelle noch wegen der 19.Auflage des Stenzlers ausschreiben. In diesem Werk des Sanskrit wird aus von meiner Sicht unverständlichen Gründen der sprachhistorische Anhang weggelassen, obwohl es klar ist, dass 80% aller deutsch-christlichen Sanskritlernenden sich nur wegen der Indogermanistik an dieses Thema heranwagen. Sehr schwach.

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